AutorInnen: Michelle Unger, Arash Ilbagi
Von Druckberechnungen zu Menschen: Kontinuierliches Lernen als Karrierevorteil
In dieser Ausgabe von Facets spricht Michelle Unger mit Arash Ilbagi, einem technischen Leader im Bereich Pipeline-Integrität, über ein Thema, das ihnen beiden sehr am Herzen liegt: Wie kontinuierliches Lernen eine sinnvolle Karriere prägt. Michelle hat jahrelang untersucht, was es wirklich braucht, um Kompetenzen in komplexen, risikoreichen Branchen aufzubauen. Sie erinnert uns oft daran, dass es bei Kompetenz nicht nur um Zertifikate oder formale Ausbildung geht. Es geht darum, wie Menschen denken, sich anpassen und durch ihre tägliche Arbeit wachsen.
Arash berichtet, wie das in der Praxis aussieht. Er reflektiert seinen eigenen Lernweg und die Gewohnheiten, die ihm geholfen haben, sich weiterzuentwickeln, beispielsweise Verantwortung für seine Arbeit zu übernehmen und bei jedem Projekt neugierig zu bleiben. Seine Geschichten veranschaulichen Michelles Ideen und zeigen, dass Lernen nicht getrennt von der Arbeit stattfindet. Es ist Teil davon, relevant zu bleiben, sich gegenseitig zu unterstützen und voranzukommen.
Dies ist ein echtes Gespräch über die menschliche Seite der technischen Arbeit. Gemeinsam untersuchen Michelle und Arash, wie eine neugierige und offene Denkweise Menschen inspirieren, verbinden und auf zukünftige Herausforderungen und Chancen in der Pipeline-Branche vorbereiten kann.
Arash, du hast kürzlich vor deinen KollegInnen einen spontanen Vortrag über das Thema Lernen gehalten, der bei vielen von ihnen großen Anklang gefunden hat. Kannst du uns mehr darüber erzählen, was dich zu diesem Schritt bewogen hat? Gab es eine bestimmte Erfahrung oder einen Ratschlag, der dich dazu motiviert hat?
Das kam eigentlich ganz spontan. Ich hatte keine Folien. Ich wollte nur weitergeben, was mir mein Mentor zu Beginn meiner Karriere gesagt hatte: Man macht nicht nur Berechnungen – man muss sie auch verstehen. Man sollte wissen, woher sie kommen, welchen Standards oder Vorschriften sie unterliegen und welche Annahmen ihnen zugrunde liegen. Wenn man ein Tool für eine Aufgabe verwendet, sollte man sich nicht mit „es funktioniert“ zufrieden geben. Man muss lernen, wie es funktioniert. So gewinnt man Glaubwürdigkeit und schult sein Urteilsvermögen.
Entwicklung des technischen Urteilsvermögens durch kontinuierliches Lernen
Michelle: Du hast vorhin davon gesprochen, wie wichtig es ist, die verwendeten Tools und Berechnungen wirklich zu verstehen und sich nicht nur auf sie zu verlassen. Wie überträgt sich diese Denkweise auf deine Herangehensweise an kontinuierliches Lernen während deiner gesamten Karriere?
Arash: Es schafft Dynamik. Wenn du jedes Projekt als Chance betrachtest, etwas Neues zu lernen – eine neue Methode, einen neuen Standard oder sogar einen historischen Fehler – baust du nicht nur Wissen auf, sondern auch Weisheit. Ich sage den jüngeren IngenieurInnen in meinem Team immer, sie sollen sich angewöhnen, pro Auftrag einen Fachartikel zu lesen. Das summiert sich schnell. So können sie Verbindungen zwischen Projekten, Risiken und Technologien herstellen.
Grundlagen und Innovation im Gleichgewicht bei der Integrität von Pipelines
Michelle: Du hast erwähnt, dass du sowohl den technischen Hintergrund deiner Arbeit als auch die dafür erforderlichen Tools verstehen möchtest. Wie gehst du persönlich mit der technischen Weiterentwicklung um, um in einem sich so schnell entwickelnden Bereich wie der Pipeline-Integrität immer auf dem neuesten Stand zu bleiben?
Arash: Ich stelle mir das in Schichten vor. Man muss sich über neue Risiken, sich ändernde Vorschriften und neue Tools auf dem Laufenden halten, aber das ersetzt nicht die Grundlagen. Unsere Arbeit wird zunehmend digitaler, wir verwenden datengesteuerte Tools, maschinelles Lernen und fortschrittliche Sensoren. Aber im Kern geht es immer noch darum, Materialien, Belastungen, Korrosion, Rissbildung und Verformungen zu bewerten. Der Schlüssel liegt darin, zu lernen, beides zu integrieren.
Strategien, um mit Veränderungen Schritt zu halten
Michelle: Angesichts der rasanten Veränderungen – neue Standards, Technologien und Risiken – kann man sich schnell überfordert fühlen. Was rätst du IngenieurInnen, die glauben, nicht über die Zeit oder Kapazitäten zu verfügen, um mit all diesen Veränderungen Schritt zu halten?
Arash: Fange klein an. Melde dich für Benachrichtigungen bei Aktualisierungen der Standards an. Wähle pro Projekt ein Konzept aus, mit dem du dich intensiv beschäftigen möchtest. Stelle Fragen. Und sei ehrlich, wenn du etwas nicht weißt. Das schafft eine offene Atmosphäre, und andere helfen dir dann in der Regel gerne weiter. Ich scherze oft: Wenn du unsicher bist, frag Simon Slater (er ist einer unserer hervorragenden Ingenieure bei ROSEN). Aber im Ernst: Wende dich an jemanden, und ich bin mir sicher, dass es in jedem Unternehmen und jeder Branche viele FachexpertInnen gibt, an die du dich wenden kannst.
Lebenslanges Lernen fördert Spitzenleistungen in der Industrie
Michelle: Während unseres gesamten Gesprächs hast du Themen wie Mentoring, Eigenverantwortung und kontinuierliches Wachstum angesprochen. Zum Abschluss möchte ich dich fragen: Was ist der tiefere Grund dafür, dass all dies so wichtig ist? Was motiviert dich, Jahr für Jahr an dieser Lernhaltung festzuhalten?
Arash: Lebenslanges Lernen ist kein Schlagwort. Es ist eine Haltung. Es gibt deiner Arbeit Sinn. Es schützt dich davor, überholt zu sein. Und es macht dich zu einem/einer besseren TeamkollegIn und MentorIn. Unsere Branche basiert auf Standards, aber sie wird von Menschen angetrieben, die nie aufhören zu lernen.